Evangelische Schulen oft über dem Durchschnitt
Erste Studie zur Qualität der konfessionell gebundenen Schulen
Die Qualität von Schulen in evangelischer
Trägerschaft ist oft erkennbar besser als die im staatlichen Bildungswesen.
Beispielsweise im Bereich des Leseverständnisses sind Vorteile
gegenüber staatlichen Schulen feststellbar. Außerdem ist
der Anteil von so genannten Risikoschülern deutlich geringer als
im staatlichen Bildungswesen, was nicht nur auf den sozialen Hintergrund
der Familien, sondern auch auf die Qualität der Schulen zurückzuführen
ist. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie mit dem Titel „Erträge
von Erziehungs- und Bildungsprozessen an Schulen in evangelischer Trägerschaft
in Deutschland“. Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen
Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, sowie die Autoren
der Studie, Professor Annette Scheunpflug (Universität Erlangen-Nürnberg)
und Professor Olaf Köller (Institut zur Qualitätsentwicklung
im Bildungswesen, Berlin), stellen die Untersuchung am heutigen Mittwoch,
1. Juni, in Berlin vor.
Evangelische Schulen vertreten den Anspruch, sich von staatlichen
Schulen zu unterscheiden. Drei gemeinsame Anliegen in der pädagogischen
Arbeit lassen sich ausmachen: Es ist erklärtes Ziel, in
besonderem Maße zur Qualifikation
junger Menschen beizutragen. Zweitens wird besonderer Wert auf ein diakonisches
Bildungsverständnis, das heißt auf eine umfassende Sozialerziehung
gelegt. Das dritte Ziel ist die Milieubindung: Konfessionelle Schulenhaben
in einer Zeit allgemein zunehmender „Entkirchlichung“ den Anspruch,
einen Ort zu verkörpern, der den Glauben stärkt. Werden evangelische
Schulen ihren eigenen Ansprüchen gerecht? Diese Frage stand im Mittelpunkt
des in Kooperation mit dem Deutschen PISA-Konsortium durchgeführten
und von der EKD finanzierten Forschungsprojektes.
„Die nun veröffentlichten Befunde zeigen, dass das Profil evangelischer
Schulen positiv und statistisch bedeutsam durchschlägt“, sagt
Annette Scheunpflug. Die untersuchten Schulen wiesen bei schulischer Bildung
und Sozialisation
in keinerlei Hinsicht ungünstigere Werte gegenüber öffentlichen
Schulen auf. Das ermittelte bessere Leseverständnis entspreche immerhin
einem Leistungsvorsprung von einem drittel Schuljahr. Auch mit Blick auf
das diakonische Bildungsverständnis und die Milieubindung zeigen die
Analysen, dass evangelische Schulen die selbst gesteckten Ziele erreichen.
Schulen in evangelischer
Trägerschaft, so ein Fazit der Studie, bieten damit ein günstiges
Erziehungs-und Sozialisationsmilieu. Das positive Klima in allen untersuchten
Einrichtungen führe dazu, dass Jugendliche eigene religiöse Erfahrungen
machen und damit Glauben im Lebensvollzug konkret erfahren könnten.
„Schulen in kirchlicher Trägerschaft leisten einen substanziellen
Beitrag im Bildungswesen, der in seiner Bedeutung in der öffentlichen
Meinung zuweilen unterschätzt wird“, betonen die Wissenschaftler.
Bei aller Vielfalt der privaten Träger machen konfessionelle Schulen
den größten Anteil im Privatschulwesen aus. Etwa fünf Prozent
aller Schülerinnen
und Schüler an Realschulen und 7,5 Prozent der Gymnasiasten in Deutschland
besuchen konfessionelle Privatschulen. Insgesamt gehen rund 70.000 Schülerinnen
und Schüler in Deutschland auf evangelische Schulen.
Für die präsentierte Untersuchung wurden.
Sekundäranalysen der
bereits im Jahr 2000 erhobenen PISA-E-Daten durchgeführt und evangelische
mit staatlichen Schulen verglichen. Zudem wurden an sechs Fallbeispielen die
Profile evangelischer Schulen differenziert neu erhoben. Berücksichtigt
wurden nicht allein die Leistungsdaten sondern auch Angaben zum diakonischen
Bildungsverständnis und zur kirchlichen Milieubindung (zum Beispiel kirchliche
Freizeitaktivitäten und religiöse Erfahrungen). Bei allen Analysen
wurde darauf geachtet, dass die verglichenen Schülerinnen und Schüler
aus identischen Bundesländern stammen, dass die Familien einen äquivalenten
sozialen Hintergrund haben und dass die jeweiligen kognitiven Grundfähigkeiten
vergleichbar sind.
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Lehrer überlastet
und falsch ausgebildet unter:
http://www.sueddeutsche.de/karriere/bildungsforscher-ueben-kritik-deutsche-lehrer-ueberlastet-und-falsch-ausgebildet-1.1075857
Schluss
mit dem Schulchaos - Berliner Erklärung unter:
http://www.bdk-gymnasien.de/?action=entschluss&id=46
Kinder nicht zu früh mit Bildung überfrachten.
unter:
http://info.blogs.rpi-virtuell.net/2011/03/24/expertin-warnt-kinder-nicht-zu-fruh-mit-bildung-uberfrachten
Evangelische
Schulen oft über
dem Durchschnitt
BILDUNG
- ein Leitbegriff aus christlicher Sicht
Keine allgemeine
Hochschulreife ohne religiöse Bildung
All
inklusive – die neue Bildungsorientierung
Was hat „all inklusiv“ mit Schule von heute zu tun? Es
bedeutet im übertragenen Sinn: „alle drin“, alle Kinder,
egal, ob mit Migrationshintergrund, mit Behinderung, mit anderer religiöser
Ausrichtung, ob Mädchen oder Junge, Langsamlerner oder Hochbegabte – alle
sollen gemeinsam unter einem Dach lernen oder, mit den Worten von J.
A. Comenius (1592 – 1670) gesprochen: „Die Kunst, alle
alles zu lehren.“
Wie soll das gehen? Es beginnt mit Sicherheit mit der Einstellung,
alle Kinder, egal mit welchen Besonderheiten, an der Schule willkommen
zu heißen und ihnen das Gefühl zu geben, gewollt, gebraucht,
beschützt, gefordert und gefördert zu werden. Daran schließt
sich eine Schulkultur an, in der sich jeder wohl fühlt, zu Wort
kommen kann, ge-wert-schätzt wird und auf Augenhöhe miteinander
kommuniziert. Jakob Muth sagt: „Wo nicht ausgesondert wird, muss
nicht integriert werden.“ Der Ursprung des gemeinsamen Lernens
war also schon zu Beginn eine „Schule für alle“.
„Alle sagten, das geht an unserer Schule nicht...dann kam eine,
die wusste das nicht und hat’s gemacht.“ (Meier) Natürlich
kommt die Frage: „Wie soll man in dieser breiten Heterogenität – wenn
ein geistig behindertes Kind neben einem Hochbegabten sitzt – unterrichten?
Es gibt Unterrichtskonzepte, die dies ermöglichen. Da seien zuerst
die Reformpädagogen benannt, die Individualisierung von Unterricht
ermöglichen. Es gibt natürlich auch das Lernen auf unterschiedlichen
Niveau- oder Kompetenzstufen. Wesentlich ist die mögliche gemeinsame
Arbeit an einem Thema. Beispielsweise wurde die Thematik „Weihnachtstraditionen“ in
verschiedenen Leistungsgruppen bearbeitet: die geistig Behinderten
haben Sterne gebastelt und Kekse gebacken, langsamer Lernende haben
eine selbsterfundenen Sketch eingeübt, die anderen haben eigene
Weihnachtsgedichte, -rätsel, -geschichten erfunden und im Internet
Weihnachtstraditionen anderer Länder recherchiert und visualisiert.
Am Ende wurden die Arbeitsergebnisse zusammengeführt und gemeinsam „genossen“.
In den höheren Klassenstufen bei gewachsenen Leistungsanforderungen
kann ein Gemeinschaftsgefühl oder die soziale Integration über
gemeinsame Veranstaltungen, Projekte, Schulhofgestaltung und Begegnungen,
Schülercafe, Feste und Feiern und auch gemeinsame Unterrichtung
in Sport und Musik erreicht werden. Natürlich kann bei sehr unterschiedlichen
Leistungsanforderungen nach dem amerikanischen Modell auch in special
rooms gelernt werden, wichtig ist nur, dass alles unter einem Dach
passiert. Es gibt auch schon Unterrichtserfahrungen im naturwissenschaftlichen
Bereich, wo ein geistig Behinderter neben einem Hochbegabten lernt
und seine experimentellen Erfahrungen zum Thema „Aggregatszustand
des Wassers“ erlebt. Deutschlandweit haben sich schon viele Schulen
aus dem eigenen Bedürfnis der Einbeziehung von Vielfalt bzw. aus
dem Elternwillen heraus auf den Weg gemacht und ganz verschiedene Modelle
der Schulorganisation und Unterrichtsgestaltung entwickelt. Ob es die
Sophie-Scholl-Schule in Gießen ist, die sich aus einer Schule
für geistig Behinderte heraus entwickelt hat und nunmehr Zwei-Drittel
Regelschüler unterrichtet. Oder die auch mit dem Schulpreis ausgezeichnete
Erika-Mann-Schule in Berlin, die Autisten mit unterrichtet, bis hin
zum Theaterspiel. Es existieren vielerlei inklusive Praktiken, die
die Vielfalt der Schülerschaft widerspiegeln. Innere und äußere
Differenzierung, Individualisierung und die kooperative Arbeit mit
dem Förderplan sowie gemeinsame Zielvereinbarungen helfen, individuelles
Lernen gezielt zu fördern. Wesentlich ist dabei, die Barrieren,
nicht nur die technischen, sondern auch die im Lernen zu beseitigen,
damit jedes Kind und jeder Jugendliche zu einer optimalen Entwicklung
kommt.
Die „Integrationsvorreiter“ in Schleswig-Holstein mit
einer Integrationsquote von inzwischen 50 % zeigen uns, wie es geht.
In der Umfrage des Bildungsministeriums haben sich betroffenen Eltern
zu 60 % für den gemeinsamen Unterricht und zu 40 % zum Besuch
einer Förderschule bzw. eines Kompetenzzentrums entschieden. Insofern
ergibt sich ein gleichberechtigtes Nebeneinander gemeinsamer und spezieller
Einrichtungen. Damit ist auch der rechtlichen Forderung nach Nichtdiskriminierung
neben den Grundsätzen der assistierten Selbstbestimmung, Barrierefreiheit,
Partizipation und Mitwirkung in politischen Prozessen im Sinne der
sozialen Inklusion entsprochen. Die UN-Konvention für die Rechte
der Menschen mit Behinderung, die Deutschland am 26.03.2009 ratifiziert
hat, ist ein Wegweiser, um auch im Bildungssystem das gleichberechtige
Mit- und Nebeneinander im Sinne der Teilhabe jedes Menschen zu realisieren.
Ein solcher Prozess wirkt auf alle gesellschaftlichen Bereiche ein
und kann nur Schritt für Schritt umgesetzt werden. Dabei geht
es um Information, um voneinander lernen, um Ent-kategorisierung und
Stärkenorientierung. Entscheidend ist der gemeinsame Wille, es
anzupacken.
Dresden, den 11.05.2010 Cornelia Winkler
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BILDUNG
- ein Leitbegriff aus christlicher Sicht (Referat-Zusammenfassung)
Das Bedenken von Bildung (B.) und das Einbringen
christlicher Sichtweisen hierbei
legt sich besonders aus vier Gründen nahe:
1. Obwohl die gesellschaftl. Bedeutung des konfessionellen Christentums schwindet
und Ostdeutschland weitgehend als „religiös unmusikalisch“ gilt,
fragt das Individuum nach Lebenssinn und Orientierungen, was religiös interpretiert
werden kann und der Bearbeitung bedarf.
2. Wie u.a. die Erregung über die Einfügung des „anknüpfend
an die christl. Tradition“ in der sächs. Schulgesetz-Änderung
(15. 1. 04) zeigt, bedarf es der öffentl. Überwindung von (zu gut gelernten)
Missverständnissen über die Inhalte dieser Tradition vermutlich nicht
nur in schulischen Zusammenhängen Ostdeutschlands.
3. Durch zunehmende Multikulturalität (-religiosität), die EU-Osterweiterung
2004 und die neue „Qualität“ weltweiter kriegsähnlicher
Konflikte mit ihren religiösen Aspekten machen sich Dialog, Ursachenerkundung
und Klärungen über Religion(en) und Wurzeln des (religiös mitgeprägten)
Humanums nötig.
4. Weithin wird das neue polit. Interesse an B. einseitig durch ökonom.
Interessen bestimmt, wobei das Recht des Individuums auf Sinn- und Lebensorientierung
durch ein instrumentelles Verständnis von Wissen für den Konkurrenzkampf
globalisierter Märkte dominiert zu werden droht (Wissen als ökonom. „Standortsicherung“).
- Indem sich Christen an der Profilierung des B.begriffs beteiligen, nehmen sie öffentl.
(Mit-) Verantwortung wahr und gestatten es sich und der Öffentlichkeit nicht,
bei akzeptierter Trennung von Staat und Kirche letztere von Grundfragen der Gesellschaft
zu trennen. Daher richtet sich christl. B.engagement sowohl gegen binnenkirchl.
Verengungen wie auch gegen restaurativ-klerikale Bemächtigung öffentl.
Bildung.- Wie ist es demgegenüber zu erklären, dass der B.begriff für
Theologie und Religionspädagogik erst seit kurzem wieder bedeutsam wird?:
1. Unterweisung gegen Bildung?
Angesichts des durch ein idealist. Menschenbild und linearen Fortschrittsoptimismus
bes. des 19. Jahrhunderts mitgeprägten B.verständnisses, das seine
Katastrophe in den Trümmern des 2. Weltkriegs fand (Adorno: Erziehung nach
Auschwitz?) - auf andere Weise im Scheitern der DDR-Pädagogik 1989 -, waren
u.a. für die Kirchen besonders nach 1945 Anknüpfungen an diesen verbrauchten
Ideologiebegriff kaum möglich. Vielmehr schien eine Erneuerung von Kirche
und Gesellschaft nicht durch das gescheiterte menschliche „Selbst“,
sondern durch den von außen kommenden „Zuspruch und Anspruch“ des
bibl. Evangeliums und die Verkündigung von „Gottes Gericht und Gnade“ möglich
zu sein. Deshalb: Verkündigung als Unterweisung statt B.; Katechumenat (in
Westdeutschland wie anfangs auch in der SBZ als Schulkatechumenat) statt Religionsunterricht!
So wichtig dieser bibl. Einspruch auch als Reinigungsgewitter gegen totalitäre
Ideologien von Bedeutung war (und weiterhin ist), zeigte sich doch bald seine
bedenkliche Abstinenz gegen Humanwissenschaften, Empirie und damit erziehungswissenschaftliche
Anschlüsse. Begriffe wie Erziehung, Sozialisation oder ein lediglich formaler
Lernbegriff erwiesen sich wegen ihres letztlich autoritären und instrumentellen
Charakters nur begrenzt als brauchbare Alternative. Dies hatte u.a. zur Folge,
einigen übersehenen wichtigen Apekten von B. neue Aufmerksamkeit zu schenken.
2. Zum Bildungsbegriff heute
Im Rahmen der theol. Wiedergewinnung des B.begriffs (Nipkow, Preul u.a.) - auch
um theol. Denken in pädagog. Gesamtzusammenhängen aus Isolierungen
zu befreien -, wurde darauf verwiesen, dass „sich bilden“ (als reflexives
Verb!) einen aktiven inhaltsbezogenen Vorgang des Individuums beschreibt, der
Begriff seine Heimat in der Theologie selbst hat (Mystik um 1300 / Meister Eckehart)
und ohne 1. Mose 1, 27 (Mensch als Gottes Ebenbild) nicht gedacht werden kann.
Der Mensch als Gottes Partner ist Mitgestalter seiner Welt und damit als verantwortliche
Person gefordert. Pädagogisch folgt daraus: „Biografie ist dem Einzelnen
als selbst zu verantwortendes Projekt aufgegeben - unter ständig sich verändernden
Arrangements“ (Mette in LexRP, Bd.I, Sp.32). Diese „individuelle
Selbstkonstitution“ ist als Prozess einer „2. Geburt“ zu beschreiben,
was die Kraft zu unterscheidender Kritik einschließt. Anders als Sozialisation
u.a. enthält B. so eine generelle inhaltlich-kritische Dimension (und ist
in totalitären Systemen deshalb letztlich unerwünscht). Um bloßen
gesellschaftlich/kirchlichen Verwertungen zu widerstehen, ist B. an Sinntraditionen
(Inhalte) gebunden, die nicht lediglich als intergenerationelle „Weitergaben“ (bloßer
Transport), sondern kritisch-ermittelnde Aneignungen zu verstehen sind. „B.
muss Wissen und Lernen inhaltlich qualifizieren. ´Lernen` und ´Wissen`
sind Funktionsbegriffe. Sie geben von sich aus nicht zu erkennen, was gelernt
werden soll, welches Wissen zu welchen Zwecken in welchen Dimensionen unbedingt
notwendig ist und wie sich die Auswahlkriterien ihrerseits begründen“ (EKD-Denkschrift:
Maße des Menschlichen. Ev. Perspektiven zur Bildung in der Wissens- u.
Lerngesellschaft (Gütersloh 2003), S. 90). B. ist so nie inhaltsleer und
wertneutral. Sie ist „aufgeklärte Handlungsfähigkeit“ (Preul).
Die häufig beschworenen Grund-Werte (Benner: besser ´Grund-Rechte`)
bleiben in ihrer substantivischen Abstraktheit oft instrumentalisierbar (´Frieden`)
und lassen nicht erkennen, wie man zu ihnen gelangt bzw. was sie qualifiziert.
In der alten Gesellschaft reproduzierten sich Wert- und Sinntraditionen in relativ
geschlossenen Alltagskulturen (Sitte, Kirchenjahr, soziale Normenkontrolle) in
lebensweltlichen Zusammenhängen. Nach dem Zerfall derartiger Traditionsleitung
in der pluralist. Öffentlichkeit ist die Bearbeitung unterschiedlicher Optionen
jedoch eine für das Individuum wichtige B.aufgabe geworden (Familie, Schule,
Kirche, Erwachsenenbildung u.a.). Entscheidungen als Prozess-Lernen in der ´Multioptionsgesellschaft`
jenseits vorgegebener Einheitsideologien machen sich nötig (`Wahlzwang´),
um in der Konkurrenz der Ansprüche und Angebote, der Banalisierungen und Ökonomisierungen
die `Maße des Menschlichen´ als B. zu gewinnen.
3. Der schiefe Turm zu Pisa
Der internationale Schulvergleichstest PISA mit entsprechenden Folgeuntersuchungen
ist - anders als der öffentliche Eindruck - nicht mit einer grundsätzlichen
Bildungsreform zu verwechseln. PISA stellt lediglich leseverstehende und mathematisch-naturwissenschaftliche
Kompetenzen fest und zwingt dem Schulwesen nötige Erfolgskontrollen auf: „Bis
heute sind deutsche Schulen eine Black Box: Lehrer wissen nicht, ob sie gute
Arbeit verrichten. ... Wer die Standards erlassen soll und wie sie auszusehen
haben, darüber gehen die Ansichten auseinander. ...Halb gare Tests können
dazu führen, dass Kinder u. Jugendliche noch strenger nach guten und schlechten
Schülern sortiert werden“ (Kahl in `Die Zeit´, 17. 10. 02, S.
34). Lernen, das bildet, bedarf unter der Voraussetzung von Grundkompetenzen
(Lesen u.a.) jedoch Problem- und Reflexionsbewusstsein und ist von einem inhaltlich
ausgewiesenen Konzept von Grundbildung her zu qualifizieren. Ein mehrdimensionales
B.verständnis vorrangig als ethische (moralisches Verhalten, Verantwortlichkeit),
soziale (Umgang mit Aggression, Friedensfähigkeit), ästhetische (musische
Gestaltungsfähigkeit), ökologische (Verhaltenskonsequenzen), geschichtliche
(Erinnerung, Wissen um Schuld und Scheitern), religiöse (Offenheit für
Transzendenz und die Frage nach Gott, einschließl. interreligiöses
Lernen) u.a. Bildung ist jedoch mit pisa-analogen Standards und Fragerastern
nicht zu testen. Das für das Individuum wichtige Orientierungswissen, welches
Kriterien für letzte und vorletzte Grundfragen von Leben, Leiden, Glück,
Verantwortung und Lebenssinn enthält, setzt Verfügungswissen (etwa
religionskundliches) voraus, geht aber nicht in diesem auf (v. Hentig: „Wer
nicht offen ist für letzte Fragen, ist nicht gebildet“). So bleiben
bei aller Berechtigung derartiger Vergleichstests besonders hinsichtlich der
Effektivität schulischer Strukturen und Lernmuster die B.grundfragen in
diesen Test-Modellen offen.
4. Dimensionen kirchlicher Bildungs(mit)verantwortung
B. als Entscheidungs- und Handlungsbefähigung hinsichtlich der einen Welt,
die Christen als die eine Welt Gottes verstehen, bedarf der institutionellen
Stützung durch unterschiedliche Lerneinrichtungen und Institutionen, die
für lebensrelevante Inhalte stehen. Das Engagement christlicher Gemeinden
bezieht sich hierbei auf eine zweifache B.verantwortung. Nipkow unterscheidet
eine (1.) originäre Verantwortung, in der die Kirchen ihre eigenen Kommunikations-und
Handlungsfelder alleinverantwortlich als B. zu profilieren haben, von einer (2.)
mit anderen geteilten Verantwortung im öffentlichen Bereich als gesellschaftliche
Diakonie („Freiheit zum Dienst“). Diese Doppelverantwortung ist kirchlich
elementar. Wechselseitige Aufgabenzuschiebungen/-entlastungen beschädigen
die öffentliche B.verantwortung der Kirchen (schulischer RU kann z.B. die
gemeindliche Arbeit mit Kindern/Jugendlichen einschließl. Christenlehre
nicht ersetzen - und umgekehrt).
Vom bibl. Evangelium her lassen sich vier Dimensionen so verstandener B. unterscheiden,
die sich auf verschiedenartige Lernkommunikationen - nicht nur unterrichtlicher
Art - beziehen (nach Mette):
1. Lebensbegleitend-transformatorisch: Lebensituationen verstehen und bestehen
lernen; B. als Lebenslauf-Begleitung; Wissen in Lebensvergewisserung (´Weisheit´)
und Erfahrung überführen.
2. Kritisch-solidarisch: Im Pluralismus die Geister unterscheiden (Gott und die
Götter); Parteiergreifung für die Opfer geselllschaftl. Entwicklungen.
3. Traditionserschließend-hermeneutisch: Lebenssinn wächst uns zu
aus erschlossener Tradition (Sprache, Kunst, Ritus u.a.) und ihrer Übersetzung
ins Heute. Das Christliche hat sich im Laufe seiner Geschichte als eminent gestaltungsproduktiv
erwiesen (Kirchenmusik-Hermeneutik, Pädagogik des Kirchenraums u.a.).
4. Ökumenisch-konziliar: Die Begegnung mit anderem und anderen (Konfessionen
u.a.) sowie die Herausforderung durch Fremdes machen das Eigene bewusst und stellen
es in übergreifende Zusammenhänge. In der Auseinandersetzung und im
dialogischen Ermitteln und Aneignen von Inhalten wird Toleranz erlernt. Eine „Toleranz
des wechselseitigen Nichtwissens“ ist keine.
Unter derartigen Voraussetzungen wäre zusammenfassend zu bedenken: „In
einer Zeit, in der die religiösen Traditionen unbekannt und unselbstverständlich
geworden sind, ist es für Pfarrer und Lehrerinnen nicht leicht, der Strategie
vorbeugender Selbstverundeutlichung zu entgehen. Es ist eine Strategie, sich
in der Schule unkenntlich zu machen, damit man von anderen nicht angegriffen
wird. Wir aber schulden den Kindern die Fremdheit jener Tradition. Wir sind verantwortlich
für das Wissen unserer Kinder. Denn sie müssen viel wissen, um der
Hoffnungslosigkeit und dem Zynismus zu entkommen (Steffensky)“.
Dr. Roland Degen, Dresden
|
gelesen auf der Homepage
der EKD
Keine allgemeine Hochschulreife ohne religiöse Bildung
Wer andere verstehen will, brauche Klarheit darüber, wo er selbst
zu Hause sei und was die eigene Identität präge. Darauf hat
der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof
Wolfgang Huber, in seinem Vorwort zur EKD-Stellungnahme "Religion
und Allgemeine Hochschulreife" hingewiesen. Evangelischer Religionsunterricht
leiste einen unverwechselbaren Beitrag zur Werteerziehung und mache dialogfähig. "Das
Verstehen des Fremden und die Ausbildung einer eigenen Identität
gehören im evangelischen Religionsunterricht unaufhebbar zusammen."
Auch in einer sich verändernden gymnasialen Oberstufe müsse
der Religionsunterricht seinen Stellenwert behalten, betonte Huber. Denn
von Bildung und allgemeiner Hochschulreife könne nur dann die Rede
sein, wenn die Schule auch Bildungsinhalte zur Sprache bringe, die Jugendliche
und junge Erwachsene brauchen, um sich in ihrer Welt orientieren und
ethisch verantwortlich handeln zu können.
Die 20seitige DIN A 4-Broschüre, die von Fachleuten der pädagogisch-theologischen
Institute der Landeskirchen, des Comenius-Institutes der EKD und der Kammer
der EKD für Bildung und Erziehung, Kinder und Jugend erarbeitet wurde,
stellt fest, dass das deutsche Schulsystem nach wie vor erhebliche Defizite
aufweist. "Unterschiedliche Schwerpunktsetzungen und teilweise gegensätzliche
Tendenzen beeinträchtigen ein klares Bild von den Bildungsaufgaben der
gymnasialen Oberstufe und den Wegen zu ihrer Erfüllung", so die Stellungnahme.
Das Bildungssystem müsse sich heute besonders im Umgang mit Vielfalt bewähren.
Das gelte gerade auch in kultureller und religiöser Hinsicht. Es sei wichtig,
dass Heranwachsende zu einer geklärten kulturellen und religiös-weltanschaulichen
Identität finden. "Dazu leistet der Religionsunterricht in der gymnasialen
Oberstufe einen unverzichtbaren Beitrag." Er vermittele eine sinn- und
wertbezogene Bildung, die Funktions- und Orientierungswissen integriert. Damit
liefere er den jungen Erwachsenen entscheidende Grundlagen sowohl für
ein wissenschaftliches Studium und für den Beruf als auch zur Übernahme
von Verantwortung für das eigene Leben und die Gestaltung eines demokratischen
und sozial gerechten Gemeinwesens.
Allerdings, so die Stellungnahme weiter, dürfe es im Blick auf die aktuellen
Veränderungen der Konstruktionsprinzipien der gymnasialen Oberstufe und
der Gewichtung der verschiedenen Fächer nicht bei allgemeinen Einsichten
bleiben. Dazu heißt es: "Die evangelische Kirche fordert die verantwortliche
Bildungspolitik auf, die Räume für den Religionsunterricht in der
gymnasialen Oberstufe und in der Abiturprüfung zu erhalten und zu eröffnen
und das Fach in seiner Gleichwertigkeit zu anderen Fächern hinsichtlich
der Beleg-, Einbringungs- und Abiturprüfungsfachauflagen nicht zurückzusetzen." Im
Sinne eines angemessenen, freiheitlichen Bildungsverständnisses brauche
der Religionsunterricht gerade auch in der gymnasialen Oberstufe und der Abiturprüfung
eine klare öffentliche Förderung. Die evangelische Kirche sei ihrerseits
bereit, auf allen Ebenen ihren Beitrag zur Stärkung des Faches zu leisten
und dadurch ihre Mitverantwortung für eine allgemeine und zukunftsfähige
Bildung aktiv wahrzunehmen.
Die Stellungnahme "Religion und Allgemeine Hochschulreife. Bedeutung,
Aufgabe und Situation des Religionsunterrichts in der gymnasialen Oberstufe
und im Abitur" kann als farbige Broschüre zum Stückpreis von
0,50 Euro über das Kirchenamt der EKD bezogen werden [Herrenhäuser
Str. 12, 30419 Hannover, Telefon (0511) 2796-240, Telefax (0511) 2796-277,
e-mail: bildung@ekd.de].
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