RBC, T.R. und DDM - Die Wilsdruffer Bandszene in den 80ern

 

1979 begann es in der Jungen Gemeinde: "Wer hat denn Lust, mit Musik zu machen ?" wurde herumgefragt. Die paar Leute, die in den Pfarrsaal gekommen waren, verloren bald die Lust, da man sich nicht auf gemeinsame Stücke einigen konnte. Zum Schluss blieben ein Klavier, eine Gitarre und jemand, der auf seinen Kumpel wartete.
Die beiden (Mario Nedjalkow und Matthias Schlönvogt) probierten eher freie Klangbilder aus, die dann immer rhytmischer wurden. Schnell wurden Stühle aufgestellt, auf denen hervorragend getrommelt werden konnte. (Damals ging es noch ohne Cachoon !) Und auf einmal passte alles zusammen, der Rhytmus riss die Leute mit und Reißl, der zum ersten Mal im Leben eine Blockflöte in der Hand hatte, brillierte mit Solis. Das war kraftvolle Musik wie im Rausch, interessanterweise durch einen Kassettenrekordermitschnitt dokumentiert.
Das musste natürlich weitergehen. Und so trafen sich die drei öfter im Schlönvogtschen Schlafzimmer zur Probe - denn dort stand ein Klavier.
Und genauso schnell gab es den ersten Auftritt zur Fete eines Freundes, der in Ermanglung eines richtigen Mikroständers das Gesangsmikrofon selbst halten musste.
Trotzdem wurde der vielumjubelte Auftritt ein voller Erfolg, denn der erstmals zum Besten gegebene "Blues von der Unzufriedenheit" animierte das Publikum zum Mitsingen (Text: "...ist doch auch nicht so das Gelbe." Publikum: "vom Ei, vom Ei.") Auch das Instrumental "Down to Earth" bekam einen Text und wurde der Klassiker schlechthin - "Nachts halb 10 auf der Autobahn".


Irgendwann gab es einen guten Moment: Zwei Freunde von mir standen an der Tür und überreichten mir eine E-Gitarre als Geschenk. Das später sog. "E-Holz" war von Ihnen für 5 Mark von zwei wilden Gesellen abgekauft worden, die diese E-Gitarre nach einem Hochwasser am Elbeufer gefunden hatten !
Leider funktionierte das gute Stück nicht. Ein Bekannter, der in der Lehre als Radiotechniker lernte, öffnete dann die Gitarre, lötete hin und her und meinte dann: "So wie die geschaltet ist, kann die eigentlich nicht funktionieren. Sie tut`s aber doch..."
Das war sozusagen der Schritt zur Band, denn bis dahin hatte es die Nylon-Saiten-Gitarre (!) sehr schwer, gegen das Klavier bzw. die Trommelkisten anzukommen. so hab ich dann mit dem DDR-Standard-Mischpult "Disco 2000" am Sternrekorder agiert. Das klang schon gut laut, mit zwei Microfonverstärkereingängen von zwei Mischpulten hintereinander gab es sogar perfekte Distorsion, aber Delay blieb für immer ein Traum...


Inzwischen wurde Deutsch-Rock Mode. Und DAS konnten wir ja grade ! Um nun aber den ehrenwerten Bandnamen nicht zu beschädigen, hieß das neue Projekt einfach anders, nämlich Total Real, später nur noch T.R. . Das machte ziemlich Spaß und die neuen Lieder purzelten nur so. Da T.R. quasi auf der Modewelle mitschwamm, lösten die Auftritte immer Begeisterung aus. Wobei Auftritte eigentlich eher sehr spontan realisiert wurden, nämlichg dann, wenn irgendwoher grade Verstärkertechnik aufgebaut worden war und wir mal zusammen drauf geübt hatten. bei einem dieser Auftritte hatte Reißl seinen großen Moment: Während wir uns noch auf das nächste Lied einigten, trommelte Reißl einen Wirbel und hielt die Schlagstöcke in die Höhe. Einige Auskenner brüllten "Heeej", wie das auf großen Konzerten so üblich war. Beim nächsten Trommelwirbel, hatten dann dauch die anderen begriffen, was zu tun war und machten mit. Reißl brachte den Raum zum Kochen und wir konnten zum Höhepunkt mit unserem Lied wieder einsteigen.
Auch so konnten wir uns als WIlsdruffer Band einer gewissen Symphatie erfreuen. Beispielsweise baute die katholische Pfarrjugend eine Probestellung mit einer großen sog. "Schweine-Box" auf, ein kleiner Lautsprecherturm aus den 50ern mit Hammerschlaglackierung. Das war klasse für den Gitarristen, leider gab es für den Keyboarder nur eine Hammond-Orgel, quasi das uncoolste überhaupt...


Nun wäre ja ein richtiger Auftritt mal dran gewesen.Aber zu DDR-Zeiten brauchte man eine Spielerlaubnis mit vorrangegangener Einstufungsprüfung, um öffentlich auftreten zu dürfen.
Diese Prüfung setzte den Besuch der Musikschule und ein vielfältiges Repertoire voraus, es musste tatsächlich der Nachweis über verschiedene Stilrichtungen gegeben werden. Und do ganz nebenbei ging es ja auch um die Texte der eigenen Lieder...
Für uns quasi eine unüberwindbare Hürde - mir fällt noch ein, dass ich damals in der Runde gesagt hatte, "dass wir doch einfach mal die Prüfung machen. Dann werden wir zwar der Texte wegen abgelehnt, sind aber nach der Revolution die Helden".
Tja, das war 1984, da war an Revolution nicht zu denken. Deshalb wurde der Vorschlag mit einem Lächeln abgetan. Schade eigentlich...


Dafür konzentrierten wir uns auf einen anderen Weg. Da die Bandproben ja im JugendCenter, (dem ehemaligen Heizungskeller der Nicolaikirche), stattfanden, sollte es eine Veranstaltung im Rahmen der Kirche werden. Und als Veranstaltungsort schwebte uns die Wagenhalle der katholischen Kirchgemeinde vor. Und - oh Wunder - der katholische Pfarrer Weinert war gar nicht abgeneigt, sondern versprach, sich beim Pfarrgemeinderat für die Veranstaltung ("Nennt das >>Jugendtreff<<, das klingt pfiffiger !") einzusetzen.
Als günstiger Termin wurde der 20. Juni festgelegt. Da damals das Thema Punks im Westen aktuell war, stand der kirchliche Teil zu Beginn unter dem Titel "No future yes", wobei das "no" dann durchgestrichen wurde und ein "future yes" entstand. Und andere Bands wurden eingeladen. Aus Meißen wollte Ellen S. und KonTiki spielen und als Haupt-Act sollten die "Wilden Gesellen" aus Dorf Wehlen auftreten. Ellen S. kam dann doch nicht und KonTiki hatte bisschen Bauchschmerzen, ob die Veranstaltung so ganz genehmigt ist, kamen aber dann doch. Schon beim Aufbau der Technik staunten die Wilsdruffer, die unsere Spaßband kannten. Und abends wurde es dann richtig voll !
Durch unsere Kontakte zur Leipziger Szene waren jede Menge Langhaarige in Parkas gekommen. Und wie es zu DDR-Zeiten so war - Untergrundgeschichten sprachen sich herum. Und so waren alle möglichen Dresdner Szene-Leute auch dabei.
Der kirchliche Teil am Anfang, war mit paar Ideen gespickt, so dass das Publikum gar nicht uninteressiert zuhörte. Und dann gab es den Anfang der ersten Wilsdruffer Rocknacht - nämlich das Sandmann-Lied des Kinderfernsehens mit krachigem Intro von T.R. !

Da die Lieder deutschsprachig und dem Publikum unbekannt waren, vergaßen die Zuhörer auf musikalische Qualitäten zu achten und hörten aufmerksam zu. T. R. gelang so ein überzeugender Einstieg und galt seitdem als "richtige Band". Naja, eigentlich eher eine richtige Vorband - aber...
KonTiki hatten im Vorfeld viel geübt und spielten zur Freude des Publikums jede Menge Rockklassiker. Als Hauptact kamen dann die Wilden Gesellen aus Dorf Wehlen. Die drei Akteure verunsicherten das Publikum mit einem Auftritt, der zwischen Genie und Wahnsinn spielte. Das blieb eindrücklich bis heute...

Interessant war die Reaktion der Stasi. Die versuchte aufgeregt, mehr Informationen zu erhalten und scheiterte aber teilweise dabei - die Band Ellen S. aus Meißen stand zwar auf dem Plakat, trat aber nie auf...
Tage später wurde der Wilsdruffer Pfarrer zum Rat des Kreises, Abteilung Inneres, bestellt. Dort wurde ihm mitgeteilt, dass sich die Kirche gern um alte und kranke Menschen kümmern kann, "aber die Jugendarbeit gehört der FDJ !". In solchen Punkten wurde der eher zurückhaltende Pfarrer Pöche regelrecht kämpferisch und sicherte uns seine volle Unterstützung zu.
Neben der Rockband Total Real gab es in dieser Zeit noch das Juni Blues Projekt, bei dem mehr Wert auf die Texte gelegt wurde. Außerdem wurde Musik mit Natur-Gitarren gespielt. Eine Reihe von Liedern aus dieser Zeit fanden dann auch Eingang ins T.R.-Programm.
Das Juni Blues Projekt hatte weit weniger Auftritte - wichtig war ein Auftritt in der Kapelle Sachsdorf und beim Liedermacherfestival in Dippoldiswalde. Das Liedermacherfestival lockte 1985 eine Reihe von sehr guten Leute mit kritischen Texten an, so dass die Dippoldiswalder Kirchenleute Angst vor der eigenen Courage bekamen und mit Verweis auf die gegenüberliegende Stasi-Stelle für das nächste Jahr ein Vor-Einreichen der Liedtexte forderten. Damit war das Ende des Liedermacherfestivals besiegelt - die Kirche hatte das erreicht, was die Stasi eigentlich vorhatte...


Nach dem Erfolg der ersten Rocknacht wurde natürlich die zweite vorbereitet. In dem Zusammenhang wurden sogar Rocknacht-Video-Clips gedreht - eigentlich Super8-Filme, aber im Westen gab es eben schon Videos. Heutzutage machen wir Videos und sprechen von Filmen...
Durch die starken Kontakte zur Leipziger Szene wurde die zweite Rocknacht größer, besser und professioneller. Nach der Rocknacht gab es ein Zeltlager auf einem größeren Privatgrundstück, bei dem am Feuer zur Gitarre weitergesungen wurde. Jahrzehnte später wurde bekannt, dass der Besitzer IM bei der Stasi war. Wirklich interessant ist jedoch, dass er keinerlei Informationen in diesem Zusammenhang zur operativen Vorgang "Gemeinde" beigetragen hatte. Man hüte sich jederzeit vor Schwarz-Weiß-Denken...


Für die zweite Rocknacht gab es von mehreren Untergrundbands Interesse an einem Auftritt - wir konnten also aussuchen. Als Haupband gab es dann Big Savod and the deep Manko, eine Band, die es in der späten DDR und Nachwendezeiten zu einiger Berühmtheit brachte. Die Qualität der Jungs war damals schon so hoch, dass beim Soundcheck die Leute vor der Halle glaubten, eine Kassette würde laufen !
Nach der Rocknacht wurden weitere Auftritte organisiert - in Krögis, Lampertswalde (ein Rocknacht mit vielen Leipziger Bands) und in Dohna. In Dohna gab es das legendäre Computerkonzert - Reißels hatten altes Spielzeug ausgeräumt und so stand ein grauer Kasten im Stapel, den ich mir nicht erklären konnte. Das ist ein "Computer" meinte Reißl, "der kann richtig rechnen". Das sog. Rechnen war simpelste Physik, mit Kabel an Kontakten wurden Ströme geleitet, die Glühlämpchen zum Leuchten brachten. Das Ding nahm ich mir mit, obwohl nur noch 5 der 12 Lämpchen vorhanden waren. In Dohna stellte ich das Teil auf einen Tisch und ließ eine Menge unbenutzter Kabel heraushängen. Eine alte Flachbatterie hatte ich auch noch. So leuchteten 3 Lämpchen beim Konzert. Nach einem Lied vor Konzertende ging ich dann zum Computer und steckte zwei Kabel um, so dass nun alle 5 Lampen leuchteten. Vom Publikum unbemerkt schaltete ich noch heimlich an der E-Gitarre um, so dass es tatsächlich anders klang. Das Publikum glaubte nun tatsächlich an ein Wunderwerk an Effektgerät. Und als ich Reißl nach Konzertende fragte, wie das denn angekommen wäre, meinte er begeistert: "Viel besser als gedacht, Weil die Batterie immer müder wurde, begannen die Lämpchen sogar zu flackern. Das sah dann richtig professionell aus..." !
Vor dem Lampertswalde-Konzert meinten übrigens zwei Mädchen "... und T. R. soll nur HardRock spielen.". Der größte Erfolg war aber dann das Anti-Lied "Schnabbeldiwau".
Beinahe hätte T. R. damals Karriere gemacht. Es gab schon Vorabsprachen, um beim Dresdner Kunstsalon der TU aufzutreten. Leider wurde der Organisator - ein Dresdner Student - verhaftet, da zuviele "andere" (also bereits verbotene) Bands bei seinen Veranstaltungen aufgetreten sind. So wurde es nichts mit Untergrundkarriere.


Und warum gab es keine dritte Rocknacht ? Vordergründig wegen dem damaligen katholischen Pfarrgemeinderat und seinen Bedenken. Ehrenrettung für Pfarrer Weinert, an ihm hat es nicht gelegen. Zum Termin der dritten Rocknacht trafen wir uns einfach so bei Reißl und sangen begeistert eine Lindenberg-Kassette mit. Das wurde den Mädels dann langweilig, so dass die gingen. War trotzdem gut und das "Heizer"-Album seitdem Kult.

Bisschen später gab es noch mal eine Aktion - diesmal mit Hanno, der sich für Musik begeisterte und sogar Texte machte. "Matze" Sch. war schon aufgrund seines West-Synthesizers prädestiniert und ich agierte weiter mit dem e-Holz. Die drei-Mann-Band brachte es zu einem Auftritt, der streckenweise sogar mit einer Videokamera dokumentiert wurde - leider einfach die falschen Lieder. Der große Hit war "Einfach mal den Westen testen". Als wäre der Mauerfall schon vorausgeahnt worden. Der T. R. - Klassiker "Hülsenfrüchte" war übrigens auch mit dabei.

Wenn man das Diskographie nennen kann:

"Golden RBC" - MC mit allen alten Hits (Nachts um halb 10, Blues von der Unzufriedenheit, Spatenlied usw.), 1984

"Unter TRänen lachen" - MC mit den neueren Hits (Uwe muss zur Asche, Der schwarze Mann auf der Zielscheibe, Wenn ich bei dir bei, Komm lass uns einen Bunker ins Schlafzimmer bauen, Denn du bist ein hübsches Mädchen, Ein Junge weint doch nicht usw.) 1986

"T. R. live" - Tonbandaufnahme mit legendärer Schweinebox 1985

Deutsche Demokratische Musik - "Livekonzert" 1988 in Ausschnitten als Video (Intro, Der Nerv, Hülsenfrüchte, Einfach mal den Westen testen usw.)

 

 

2013 - Übrigens gibt es aktuelle Aktivitäten: DIe alten T. R. Hits werden grade wieder einmal durchgeprobt - und ganz sicher auch mal aufgenommen !

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